Ein Laptop macht noch kein Home-Office: Tipps für Home-Office und Remote Work
Freitag, der 13.03.2020: Die Corona-Krise kommt endgültig, nachdem innerhalb weniger Stunden sämtliche Bundesländer die Schließung von Kindergärten, Kitas und Schulen beschlossen haben, in der Realität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an. Millionen Kinder müssen zu Hause betreut werden und die berufstätigen Eltern werden folglich im Arbeitsalltag ganz oder mindestens zum Teil fehlen.
Während Meldungen über das sprunghafte Wachstum von Online-Meeting-Tools, wie Microsoft Teams oder Zoom, eingehen, erscheinen die ersten Beiträge mit Empfehlungen, welche Tools im Home-Office benötigt werden.
Für Unternehmen und insbesondere Mittelständler, für die Home-Office und Remote-Arbeit bisher nicht zum Arbeitsalltag zählten, greifen solche Beiträge zu kurz. Hier möchten wir mit einem Einblick in unsere Projektarbeit dazu beitragen, dass sich betroffene Unternehmer einen besseren Überblick verschaffen können und geben Handlungsempfehlungen zur Umsetzung.
Grundsätzlich reicht es schlicht nicht aus, den Mitarbeitern die notwendige Technik zur Verfügung zu stellen. Für ein erfolgreiches Remote-/Home-Office sind die folgenden Punkte entscheidend:
- Grundsatzentscheidung: Quo Vadis Home-Office?
- Prozesse & Workflows
- IT-Infrastruktur
- Unternehmenskultur & Change-Management
Im Folgenden möchten wir genau diese Punkte beleuchten, um ein besseres Verständnis für das Zusammenspiel unterschiedlicher Aspekte zu ermöglichen.
1. Die Grundsatzentscheidung – Remote Work: Wollen oder müssen wir das wirklich?
Hier geht es um eine strategische Grundsatzentscheidung. Die Begriffe New Work, remote und kollaborierendes Arbeiten sowie Agilität haben Sie an anderer Stelle schon oft genug gelesen und erklärt bekommen.
Unternehmer müssen sich in der aktuellen Situation mit der Fragestellung auseinandersetzen, ob es ausreicht, so weiter zu machen wie bisher oder, ob es für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zuträglich ist, die Unternehmensprozesse, die IT-Infrastruktur und die Unternehmenskultur, mithilfe von digitaler Technologie, auf ein flexibleres und effektiveres Fundament zu stellen.
Diese Frage muss jeder betroffene Unternehmer für sich individuell entscheiden. Wir möchten allerdings gerne einige Vorteile auflisten:
- Steigerung der Effektivität, da manuelle Zeitfresser erkannt und ausgemerzt werden können
- Flexibilität, die Arbeit, bei der es möglich ist, von zu Hause oder generell unterwegs/mobil erledigen zu können
- Steigerung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Mitarbeiter
- Positives Mindset im Unternehmen, durch das Veränderung als Erneuerung und Möglichkeit zur Verbesserung begriffen wird
- Kosten sparen, durch staatliche Fördermöglichkeiten, für viele KMUs
2. Prozesse & Workflows
An den Umsatzzahlen von gängigen Kooperationstools sowie an den Engpässen bei der Verfügbarkeit von Hardware, z. B. Laptops, lässt sich erkennen, dass viele Unternehmen jetzt direkt in den Bereich Infrastruktur/IT investieren.
Um allerdings strukturiert und strategisch sinnvoll vorgehen zu können, lohnt sich wie so oft eine Betrachtung der Prozesse und Workflows sowie die Entwicklung eines künftigen Soll-Szenarios. Eine entscheidende Fragestellung dabei ist: „Für wen ist Home-Office überhaupt sinnvoll und technisch sowie prozessseitig möglich?“
Ein privates Beispiel:
Eine Freundin arbeitet halbtags in der Verwaltung bei einem KMU mit rund 80 Mitarbeitern. Selbst, wenn sie einen Laptop zur Verfügung hätte, wäre nur ein Bruchteil ihrer derzeitigen Aufgaben remote zu bearbeiten, da ein physischer Zugriff auf diverse Aktenordner und Informationen notwendig sind. Dennoch wurde als Reaktion auf die aktuelle Situation ein Laptop angeschafft. Ein effektives Prozessmanagement existiert jedoch nicht.
Man müsste also die derzeitigen Arbeitsabläufe aufnehmen (Ist-Zustand), diese kritisch hinterfragen (Prozess-/Potenzialanalyse) sowie davon ausgehend einen Soll-Prozess entwickeln. Dieser sollte idealerweise so aufgesetzt sein, dass die zuständigen Mitarbeiter die Arbeitsabläufe mit einem Firmenlaptop von überall umsetzen können, sofern eine sichere Internetverbindung zur Verfügung steht. Für diesen Schritt ist es, unserer Erfahrung nach, enorm wichtig, die betroffenen Mitarbeiter aktiv einzubinden. Dazu später mehr.
3. Infrastruktur/IT
Wie schon angedeutet, ist es nur menschlich sich im ersten Schritt mit den offensichtlichen, „greifbaren“ Dingen zu beschäftigen. Doch auch hier gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen zu beachten, um später Probleme zu vermeiden.
Richtlinien/Policy:
Je nach Branche und Unternehmensstrategie ist es möglich, dass beispielsweise das Auslagern von Unternehmensdaten in Cloud Services schlicht verboten ist. Zu den Vorteilen einer Beratung zählt es, solche „unumstößlichen Gesetze“, vor dem Hintergrund offenkundiger Nachteile, kritisch hinterfragen zu können und auch zu müssen. Sollte es tatsächlich keine passende Lösung am Markt geben, die den bestehenden Richtlinien entspricht, sollte man so offen sein, die eigenen Richtlinien einem Realitäts- und Stresstest zu unterziehen.
Hardware:
Steht einer Umsetzung prinzipiell nichts im Wege, muss geprüft werden, welche Mitarbeiter für welche Aufgaben welche Hardware benötigen. In den allermeisten Fällen ist dafür ein Laptop nebst Bluetooth-Tastatur und -Maus ausreichend. Sicherlich gibt es branchenspezifische Besonderheiten, die dieses Basispaket ergänzen können.
Software:
Von Meeting-Tools über Chat-Kommunikation bis hin zu Plattformen für kollaboratives Arbeiten – nichts wird im B2B-Umfeld, in der aktuellen Phase, so oft thematisiert und beworben wie Lösungen unterschiedlichster Dienste für Remote Work.
Auch hier gilt: Die richtige Lösung für die individuellen Anforderungen eines Unternehmens ergeben sich aus den Prozessen und der vorhandenen IT-Infrastruktur. Welche Lösung lässt sich sicher und bequem mit dem vorhandenen Set-up kombinieren? Ist das Entwickeln von Schnittstellen notwendig?
Server/Cloud Infrastruktur:
Hier stehen zwei Grundsatzfragen im Vordergrund:
- Wo liegen meine Daten?
- Wer hat darauf Zugriff?
Beide Fragen haben das Potenzial für umfangreiche Ausarbeitungen. Daher an dieser Stelle in aller Kürze. Die Frage nach dem „Wo?“ muss individuell nach Unternehmensstruktur und vorhandener Infrastruktur beantwortet werden.
Die Frage nach dem „Wer darf was?“ ist, sofern nicht intern bereits erarbeitet, ein mögliches Ergebnis einer Soll-Prozess-Analyse.
Sehr entscheidend ist auch die Frage nach den technischen Kapazitäten und Voraussetzungen. Ist der Server oder sind die verwendeten Tools für einen, mitunter eklatanten, Anstieg von Fernzugriffen ausgelegt? Welche Schritte sind notwendig, um einen stabilen Betrieb zu gewährleisten? Stehen in ländlichen Regionen überhaupt die notwendigen Bandbreiten zur Verfügung, um eine Videokonferenz durchzuführen?
4. Unternehmenskultur/ Change-Management
Stell dir vor du digitalisierst und keiner macht mit! Hinter dem launischen Spruch steckt bittere Realität, in deutschen Unternehmen. Oft liest man in diesem Zusammenhang Begriffe wie Top-down oder das entgegengesetzte Bottom-up. Entscheidend ist die richtige Mixtur aus beidem.
Top-down bedeutet hier im Grunde, dass eine positive Veränderung seitens der Unternehmensführung/ des Managements bewusst gewollt und gefördert wird.
Bottom-up meint, die zuvor bereits erwähnte Einbindung der betroffenen Mitarbeiter. Die Belegschaft sollte sich aktiv mit den negativen Folgen des Ist-Zustands beschäftigen, um, schon allein im eigenen Interesse, aktiv zu einer Verbesserung beizutragen. Dabei kann das Fachwissen der Mitarbeiter in den künftigen Soll-Prozess einfließen und durch die Akzeptanz, das künftige Vorgehen stärken.
Dies ist also insbesondere eine kommunikative Herausforderung, die mit besonderen Methodiken moderiert werden sollte. In manchen Fällen kann es zielführend sein, dies mithilfe von externer Unterstützung voranzutreiben, um die Moderation einer neutralen Person zu übergeben.
Kommunikation ist auch die Lösung bei kulturellen Herausforderungen. Oft ist Home-Office mit Vorurteilen belegt. Ein einfacher Schritt, um dies zu lockern, ist die Definition von KPI´s für Fachbereiche und deren Mitarbeiter sowie eine Möglichkeit diese zu tracken und zu beobachten. So könnte in Form von Zielvereinbarungen definiert werden, was der Mitarbeiter an einem Tag zu erreichen hat.
Im Vertrieb könnte dies ein Durchschnittswert von Kundenkontakten sein. Oft kann die Anzahl von Telefonaten, E-Mails etc. zum Beispiel in CRM-Systemen getrackt und in Form von Dashboards veranschaulicht werden. Daraus ergibt sich eine transparente Darstellung der Produktivität und Effizienz, die sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer positiv ist.
Dies hilft nicht nur bei der Steigerung der Produktivität, sondern fördert auch den kulturellen Wandel im Unternehmen. Wer im Home-Office nachweislich genauso produktiv ist wie vor Ort in einem Büro, muss sich nicht mit Vorurteilen, über die eigenständige Arbeit zu Hause, beschäftigen.
Beim Change-Management geht es darum, genau solche Veränderungen im Unternehmen anzustoßen, zu begleiten und umzusetzen.
Fazit
Wir haben bewusst die einzelnen Aspekte immer wieder thematisch miteinander verknüpft. Damit soll verdeutlicht werden, dass die nummerierte Aufzählung nur zur Strukturierung dieses Artikels dient. Bei einer Umsetzung in einem Unternehmen müssen mehrere Aspekte und Dimensionen parallel zueinander bedacht und in Angriff genommen werden.
Ist die Grundsatzentscheidung seitens der Unternehmensführung einmal getroffen, gibt es viele Punkte die zu beachten sind, um eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung zu ermöglichen.
Klar sollte sein: Ein „Bei uns geht das nicht“ galt auch schon vor dem 13.03.2020 nicht. Neu ist nur die Notwendigkeit, sich von jetzt auf gleich mit den Möglichkeiten zu beschäftigen.
- Vom 17. März 2020